Ohne Titel (der Knoten) von Günter Braun

Muss sich ein Kunstwerk selbst erklären? Ich finde es schön, wenn es dies tut. Beispiele dafür sind für mich »Die kleine Hair«, das Fangnetz und der Schwimmer auf dem Skulpturenweg Pfinztal. Lässt man sich für die Skulpturen Zeit, dann tauchen im Betrachter Assoziationen auf und man wird vom Werk berührt. Das ist bei mir nicht bei allen Werken so. Ein Beispiel dafür sind die geschichteten Schiefertafeln von Sandro Vadim. Erst durch die verbale Hilfestellung des Künstlers wurde mir plausibel gemacht, was die Säule uns sagen soll. Sie nimmt Bezug auf die Funktion des Schiefers. Die Alten unter uns kennen Schiefertafeln noch aus ihrer Schulzeit. Mit einem Stift hat man kleine Schiefertafeln beschriftet und konnte sie wieder klarwischen. Schiefer hat demgemäß in vergangenen Zeiten als Informationsträger gedient und dient bis heute dazu, Dächer regendicht zu machen. Ob allerdings Herr Vadim die Schiefertafeln zum Teil beschriftet hat und wenn ja, mit welchen Zeichen oder Texten, oder ob er das nicht getan hat, das bleibt unserer Phantasie überlassen.

Ein Werk, das ebenso der Hilfestellung durch den Künstler bedarf, ist die Skulptur  Ohne Titel von Günter Braun. Aus Grünstein und Eisen hat er aus rohem Stein einen polierten Knoten gebildet, der dadurch entsteht, dass ein massives Eisenband unbehauenen Stein zu strangulieren scheint. Die Strangulation scheint zu bewirken, dass der Knoten, man könnte ihn auch als Kopf ohne Struktur bezeichnen, die Rauheit des Steines verliert und durch das Schleifen in eine neue Form gebracht wird.

Der Künstler will damit das Verhältnis »Natur und Kultur«, also im Endeffekt den Zivilisationsprozess darstellen. Der Natur wird durch das künstliche Eisen Gewalt angetan, um sie in eine neue Form zu zwingen. Kann dies auch für die Erziehung von Menschen gelten? Wir wissen es nicht.

In mir löst die Skulptur die Frage auf, wie die kulturelle und zivilisatorische Verformung der Natur zu bewerten ist. Soll der Mensch nicht in die Natur eingreifen, sie in der Form belassen, in der sie uns begegnet? Würde das nicht den Rückzug des Menschen aus der Welt, das heißt unseren Tod bedeuten? Stellt der polierte Knoten, dem menschliche Züge fehlen eine verfeinerte oder gar verbesserte Natur dar? Verliert die Natur durch unser Eingreifen an Substanz, an Wirklichkeit, denn der unbehauene Stein hat ein größeres Volumen als der durch die Strangulation, den Zivilisationsprozess erzeugte Knoten?

Was ist Ihre Antwort? Es lohnt sich darüber nachzudenken, bezieht sich die Skulptur doch genau auf die Fragen, die im Augenblick mit uns allen umgehen.